Hapag-Lloyd Aktiengesellschaft

- Presse Information -

Acht Jahre im Großen Bittersee

Eine kleine Chronik der 18. Reise des MS "Münsterland"

Am 5. Juni 1967 brach in Nahost ein Krieg aus. Er überraschte einige den Suez-Kanal durchfahrenden Schiffe und führte zur Blockade der wirtschaftlich so wichtigen Wasserstraße. Zu den 14 Schiffen, die im Großen Bittersee ihre Reise unterbrachen, gehörten die deutschen Motorschiffe "Münsterland" und "Nordwind".

Das Hapag-Lloyd-MS "Münsterland" (9365 BRT) befand sich unter dem Kommando von Kapitän Karl Hoffmann auf seiner 18. Reise auf dem Wege von Australien nach Europa und lief, wie die übrigen Schiffe, mit dem Morgen-Konvoi in den Suez-Kanal ein. Im Großen Bittersee, der Ausweichstelle des Kanals, mußten die Anker fallen. Die Kriegsereignisse bestimmten das Geschehen. Kapitän Karl Hoffmann hatte es geahnt, wie er sagte, und dann aber doch noch die Kanalpassage angetreten. Dieser Konvoi würde noch durchkommen, hatte man ihm versichert.

Der nach Süden gehende Gegenkonvoi passierte ja auch noch planmäßig den Kanal, der Nordkonvoi, in dem sich die "Münsterland" befand, blieb durch eine Verquickung vieler unglücklicher Umstände im Bittersee liegen.

GBLA Pressemitteilung

Das Original


Der Report der ersten Tage liest sich, rein auf die Fakten beschränkt, so:

5. Juni 1967:

Die Reise von Suez in den Kanal wurde um 6 Uhr 30 angetreten. Das Schiff passierte El Kapret um 10.45 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt wurden von der Besatzung in der Ferne Zeichen von Kampfhandlungen, sowie in der Nähe ein Luftangriff auf den Militärflugplatz von El Kapret beobachtet. Um 11.00 Uhr erhielt der Lotse über Radio Ismailia die Information, daß der Krieg zwischen der VAR und Israel ausgebrochen sei; die Schiffe hätten im Großen Bittersee zu ankern.
Ankern im Großen Bittersee - Lotse von Bord.

6. Juni 1967:

Lotse an Bord. Der Konvoi setzte sich in Richtung Nordausgang des Großen Bittersees in Bewegung. Die 11 Tanker des Konvois verlassen den See und fuhren in den Kanal ein.

Die 14 Frachter sollten nach Angaben der Kanalbehörden um 18.00 Uhr fahren. Der Anker wurde um 18.30 Uhr bereits bis auf einen Schäkel vorgehievt. Gegen 19.00 Uhr erhielt die Schiffsleitung von der Kanalbehörde die Nachricht, daß der Restkonvoi an diesem Tage nicht mehr auslaufen könne. Der Lotse und die Kanalbesatzung blieben jedoch an Bord. Die Weiterfahrt des Schiffes wurde für den nächsten Morgen, den 7.6., in Aussicht gestellt.

Ein vom Kapitän bei der Kanalbehörde gestellter Antrag, nach Süden auslaufen zu dürfen, wurde abgelehnt. Der Kanal war zu diesem Zeitpunkt sowohl nach Norden als auch nach Süden noch passierbar. Das ergibt sich daraus, daß der Kanal an diesem Tage noch sowohl von dem südgehenden als auch von dem nach Norden gehenden Teilkonvoi passiert worden ist.

7. Juni 1967:

Obwohl die Weiterfahrt an diesem Tage vorge­sehen war, erhielt das Schiff eine entsprechende Erlaubnis nicht. Der Lotse und die Kanalbesatzung blieben jedoch weiterhin an Bord.
Nach Meinung des Kapitäns waren auch an diesem Tage noch beide Kanalstrecken passierbar.

8. Juni 1967:

An diesem Tage wurden die Lotsen und die Kanalbesatzung auf Anordnung der Kanalbehörde von Bord genommen. Das Schiff erhielt von der Kanalbehörde die Mitteilung, daß die Schiffe den Kanal zunächst nicht passieren dürfen.

Zu diesem Zeitpunkt war zumindest der südliche Teil des Kanals noch passierbar. Wie der Kapitän später erfahren hatte, befand sich entweder am 8. oder 9.6.67 ein größerer Ölleichter von Suez kommend auf dem Wege zum Großen Bittersee, um die dort liegenden Schiffe mit Dieselöl zu versorgen. Dieser Leichter wurde jedoch von der Kanalbehörde zurückbeordert.

11. Juni 1967:

An diesem Tage wurde ein his dahin Am Nordausgang des Großen Bittersees liegender erst ca. 2 Jahre alter Bagger, der normalerweise zum Ausbaggern des Kanalfahrwassers benutzt wird, von Schleppern in den nördlichen Teil des Kanals gezogen und - nach den der Schiffsleitung später zugegangenen Informationen im Kanal auf der Höhe von Ismailia versenkt. Der Bagger soll zuvor mit Zement gefüllt worden sein.

14. Juni 1967:

An diesem Tage kam zum ersten Mal ein Vertreter der Hapag-Agentur und überbrachte die Mitteilung, daß nunmehr auch der Südteil des Kanals durch Versenkung eines Anglo-Shell Ölleichters gesperrt worden sei.

Vierzehn Schiffe waren es insgesamt, die von den Ereignissen im Großen Bittersee überrascht wurden und denen nun die Weiterfahrt versperrt war. Es waren:

  1. MS Killara

 Svenska Amerika Linien, Gothenburg - 11005 BRT; 6002 NRT; Baujahr: 1966

  2. MS Port Invercargill

 Port Line, London - 10463 BRT; 6011 NRT; Baujahr: 1958

  3. MS Nippon

 Svenska Ostasiatiska K., Gothenburg - 10309 BRT; 5635 NRT; Baujahr: 1962

  4. MS Scottish Star

 Blue Star Line, London - 10174 BRT; 6045 NRT; Baujahr: 1950

  5. MS Münsterland

 Hapag-Lloyd AG, Hamburg - 9365 BRT; 5485 NRT; Baujahr: 1960

  6. MS Nordwind

 C. Mackprang Jr., Hamburg - 8656 BRT; 4721 NRT; Baujahr: 1958

  7. MS Melampus

 A. Holt & Co., Liverpool - 8511 BRT; 4870 NRT; Baujahr: 1960

  8. MS Agapenor

 A. Holt & Co., Liverpool - 7645 BRT; 4211 NRT; Baujahr: 1947

  9. MS Sindh

 Messageries Maritimes, Paris - 7051 BRT; 3888 NRT; Baujahr: 1956

 10. MS Djakarta

 Polish Ocean Lines, Gdynia - 6915 BRT; 3785 NRT; Baujahr: 1961

 11. MS Boleslaw Bierut

 Polish Ocean Lines, Gdynia - 6674 BRT; 3670 NRT; Baujahr: 1957

 12. TS African Glen

 Farrel Lines, New York - 6116 BRT; 3518 NRT; Baujahr: 1945

 13. MS Vassil Levsky

 Government Bulgaria, Sofia - 4975 BRT; 2625 NRT; Baujahr: 1944

 14. MS  Lednice

 Donaugesellschaft, Prag - 1462 BRT; 1257 NRT; Baujahr: 1962

Zwischen den Fronten

Da lagen sie nun mitten zwischen den kämpfenden Parteien, wie ein von Geisterhand angehaltener Geleitzug. Machtlos, ohne irgend etwas zur Klärung der Lage beitragen zu können. "Warten", hieß es, "Warten". Darauf mußten sich, wie auf den anderen Schiffen, auch die 44 Besatzungsmitglieder der "Münsterland" und die zehn Passagiere beschränken. Als es dann offensichtlich wurde, daß in nächster Zeit nicht mit einer Weiterfahrt zu rechnen sein, galt die erste Sorge des Kapitäns und der Reederei den Passagieren und den Besatzungs­mitgliedern.

Am 25.6.1967 konnten 22 Besatzungsangehörige, darunter zwei mitreisende Ehefrauen und drei Passagiere, nach Deutschland zurückkehren. Die anderen sieben Passagiere, alle englische Staatsbürger, hatten schon einige Tage vorher den See verlassen können. Danach befanden sich noch 24 Mann an Bord.

Sie hatten ausreichend zu tun, um den Schiffsbetrieb aufrechtzuerhalten und die notwendigen Arbeiten an Schiff und Ladung durchzuführen. Für die schwere Arbeit in der Gefahrenzone erhielten alle Besatzungsmitglieder doppelte Heuer.

Naturgemäß mußte die zweite Sorge der Reederei der Ladung gelten. "Münsterland" war randvoll. Die größten Partien be­standen aus mehr ais 3000 t Stahl und Stahldraht, fast 2000 t Wolle und über 1000 t Mineralsand, sowie Fruchtkonserven, Fellen und Häuten, landwirtschaftlichen Geräten und weiteren kleineren Partien, darunter 5 t Küchenuhren. In den Kühlräumen waren mehr als 300 t Birnen verstaut, 57 t Eier (fast 8 Mio Stück), Fleisch, Butter, Weintrauben u.a.

Es wundert nicht weiter, wenn angesichts der kriegerischen und verworrenen Verhältnisse die Versorgung der 14 Schiffe, die im Bittersee, noch dazu mitten zwischen den feindlichen Lagern festsaßen, zunächst Große Sorgen und Schwierigkeiten bereitete. Grundsätzlich mußte alles Lebensnotwendige über Ägypten und eine ägyptische Agentur geleitet werden, die sicherlich auch im eigenen Lande viele Schwierigkeiten überwinden mußte. So nimmt es, in der Rückschau betrachtet, nicht Wunder, wenn hin und wieder, zuerst mehr, dann weniger werdend, Stockungen eintraten oder die oft auf umständlichen Wegen herangeschafften Güter nicht den Wünschen der Besteller ent­sprachen. Später pendelte sich alles weitgehend ein, und als man sich an Bord selbst ein wenig von der nahöstlichen Mentalität angeeignet hatte, da konnte man sogar zufrieden sein.

Selbstverständlich griff man auf den Schiffen auch zur Selbsthilfe. Nicht nur, daß die Besatzungen anfingen, im See nach Frischfisch zu Angeln, aus der Ladung wurde nach und nach entnommen, was gebraucht wurde. Dabei war es für die "Münsterland" ein glücklicher Zufall, daß das Schiff sehr viele verschiedene Lebensmittel in der Ladung hatte, vor allem Eier, Birnen und Weintrauben. "Ich kann keine Birnen mehr sehen", soll ein Besatzungsmitglied nach Wochen verzweifelt gestöhnt haben. Die Eier hätten jahrelang gereicht, um der Besatzung täglich drei kräftige Portionen Rühr-, Spiegel- oder sonstige Eier zu verabreichen. Das aber war trotz der ausgesprochenen Vorliebe der Seeleute für diese Hühnerprodukte (in den tollsten Variationen) doch zuviel, und so kam es von selbst, daß die Schiffe ihre Schätze untereinander austauschten oder an weniger reich gesegnete Leidensgenossen Abgaben. Man tauschte Shrimps gegen Hammelkotelett, Rindfleisch gegen Kaninchen oder Haifisch gegen Geflügel. Jedes Schiff hatte darüber hinaus seine. Die "Münsterland" entwickelte sich beispielsweise zum geachteten Speiseeishersteller, während einer der schwedischen Frachter zur "Bittersee-Kuh" wurde. Auf ihm wurde nämlich aus Trockenmilch und Eiern jede Menge "Frischmilch" produziert. Getränke waren zwar manchmal knapp, so daß einige deutsche Brauereien wiederholt reichlich für die "Gefangenen" im Bittersee spendeten, als die Misere bekannt wurde. Überhaupt bestand in der deutschen Öffentlichkeit stets reges Interesse an dem geschehen im Bittersee.

Im August 1967 erfolgte die erste Ablösung der Restbesatzung. 21 Mann flogen zum Bittersee, 21 kehrten von dort nach Hause zurück. Kapitän Karl Hoffmann blieb zunächst noch an Bord. Im Oktober 1967 wurde die Besatzungsstärke auf 13 Mann verkleinert, später noch einmal um drei auf zehn Mann: Kapitän, 2 Ingenieure, 2 Ingenieurs-Assistenten, 1 E-Assistent, 1 Zimmer­mann, 2 Matrosen und 1 Koch.


Viel Arbeit / Man hilft sich untereinander

Langeweile kam für die Bittersee-Crews bestimmt nicht auf. Im Gegenteil, es gab hart und reichlich zu tun. Das Schiff mußte konserviert werden, d.h., es mußte vor allem gegen den gerade im Bittersee großen Salzwassereinfluß geschützt werden. Außerdem war die Ladung laufend zu kontrollieren und zum Teil umzustauen. Das Schiff war, soweit es machbar war, von dem üppig wuchernden Bewuchs freizuhalten und die Maschinenanlage mußte jederzeit intakt sein, damit die Hilfsmaschinen, die die notwendige elektrische Energie lieferten, ihren Dienst verrichten konnten. Monatlich wurden Rundfahrten durch den See veranstaltet, um alle Teile wenigstens von Zeit zu Zeit einmal vollständig durchzufahren.

Nebenbei sei vermerkt, daß alle Arbeiten bei meistens tropischen Temperaturen erledigt werden mußten, die in den Sommermonaten fast bis auf 50 Grad im Schatten anstiegen. Die Wassertemperaturen lagen dann bei rund 30 Grad. Während der Wintermonate wurde es empfindlich kalt, vor allem nachts. Bemerkenswert war der gute Kontakt, der sich unter den Seeleuten der verschiedenen Nationen, aus Deutschland, Schweden, den USA, England, Polen, Bulgarien, der Tschechoslowakei und Frankreich, entwickelte.

Hier bewährte sich inmitten des kriegerischen Geschehens wieder einmal die internationale Freundschaft der Seeleute. Das kam in zahlreichen Briefen und Berichten aus dem See zum Ausdruck.

Hier nur zwei Beispiele:

In einem Kapitänsbericht hieß es: "Nachdem wir nun sechs Wochen im See sind und sich alle einigermaßen akklimatisiert haben, darf ich sagen, daß sich alle der hier im See herrschenden Kameradschaft vorbildlich angepaßt haben. Außer gutem Sportgeist ;wird die Nachbarschaftshilfe großgeschrieben. Wenn man seinen lieben Nachbarn nicht hätte, so wäre man manches Mal in punkto Ersatzteile auf dem Trockenen. Alles klappt vorbildlich, einer hilft dem anderen."

In einem anderen Brief heißt es: "Die Freundschaft unter den einzelnen Schiffsbesatzungen ist sehr groß. Die internationale Kameradschaft ist einmalig, und das ist etwas, was uns den Aufenthalt hier erleichtert.

Wo man sich so gut versteht, ist es bis zur Gründung eines Vereins nicht mehr weit. So schlossen sich dann auch alle Besatzungsmitglieder der im Bittersee liegenden Schiffe in der "Great Bitter Lake Association" (G.B.L.A.) zusammen. Diese Vereinigung führte regelmäßig Skatabende, Schach- und Tischtennisturniere und Fußballspiele durch. Man traf sich mal auf diesem, mal auf jenem Schiff, zu Filmabenden - viele Schiffe wurden von ihren Reedereien mit Spielfilmen versorgt - oder auch nur so zu einem Plausch. Alles vertrug sich wunderbar und es wurde zu einem

häufig ausgesprochenen Wunsch, dass man sich in der UNO ebenso verstehen sollte, wie hier in der kleinen UNO des Bittersees. Viele Probleme wären dann nach Ansicht der Seeleute nicht mehr übrig geblieben. Zum Auftakt der Zusammenkünfte wurde meistens die Hymne der Bittersee-Schiffe angehört. Es war der Beatles-Song "The Yellow Submarine". Man hatte ihn auserkoren im Hinblick auf "The Yellow Fleet", wie die Bitterseeleute ihre Flotte, die oft genug vom feinen Wüstensand eine gelbe Einheitsfarbe erhielt, nannte.

Auch nach Beendigung ihrer Dienstzeit im See hielten und halten die GBLA-Mitglieder Verbindung untereinander. Wie es sich für einen derart exklusiven Club gehört, besitzt er natürlich auch eine eigne Flagge und ebenso selbstverständlich ist für die Mitglieder eine eigne Krawatte entworfen worden.

Weniger gut hatte es der etwa 50 km weiter nördlich im Timsah-See liegende, durch einen Brand beschädigte US-Tanker "Observer". Seine Besatzung war bald stark verringert worden, im November 1967 waren nur noch zwei Mann an Bord. Sie hatten keinen Kontakt zur Bittersee-Gruppe und fühlten sich deshalb verständlicherweise sehr einsam. Überdies lagen sie an einer recht engen Stelle zwischen den Fronten, so daß sie nicht selten das zweifelhafte Vergnügen hatten, Augenzeugen von Artillerie- und Panzerduellen zu werden. Die Amerikaner nannten ihr Schiff mit einer Mischung von Sarkasmus und Humor "F. B. I. - Forgotten Boat of Ismailia".


Sport wird groß geschrieben

Doch zurück zum Bittersee. Dort konnte bei aller Misere wenigstens die Geselligkeit pflegen. Während der Freizeit wurde vor allem Sport groß. geschrieben. Sport in allen Variationen, häufig abgewandelt auf die Verhältnisse im Bittersee. Tischtennis wurde schon erwähnt, auf "Port Invercargill" richtete man ein durch Netze abgesichertes Fußballfeld ein und das Boot der "Lednice" stand für Wasserski zur Verfügung.

Als Beispiel für das rege sportliche Leben möge der nachfolgende Brief gelten den Hapag-Kapitän Prissel am 7. Juni 1968 aus dem See an seine Reederei schickte:


"...Nachdem wir jetzt: schon gute 14  Tage das Leben im Bittersee genossen haben möchten wir Ihnen etwas über die letzten GBLA-Veranstaltungen mitteilen. Diese sportlichen Ereignisse im See bieten an Wochenenden reichhaltige Abwechslung und finden allgemein begeisterten Anklang.

Am Dienstag, dem 25.5., veranstaltete die "Sindh" auf ihrem Achterdeck einen sehr mitreißenden Hindernislauf, der knapp von unserem Ing. Asp. Rolf Becker für die "Münsterland" gewonnen werden konnte. Unter den anfeuernden Rufen der Anwesenden Besatzungen mußten in kürzester Zeit folgende Hindernisse überwunden werden: ca. 20 m laufen auf einem Ölfaß, fischen einer schwimmenden Kerze mit dem Mund aus einem Bottich, tragen eines mit Wasser gefüllten Luftballons über die Luke, balancieren auf einer eingefetteten Holzstange über ein Schwimmbassin, fahren mit einem Fahrrad über ein langes, schmales Brett und eine lange, liegende Alu-Leiter mit einem rohen Ei im Mund und essen einer sehr süßen Baiser-Masse. Es war ein sehr gelungenes Fest.

Am Mittwoch, dem 26.5., fanden die letzten Spiele um die Mai-Meisterschaft der GBLA-Football League statt. Mit vier Punkten Vorsprung konnte der 1. Preis von der "Münsterland" gewonnen werden.

Am Sonnabend, dem 29.5., ging es wie in jedem Monat um den Seglerpreis *. Von der "Port Invercargill" arrangiert, gab es dann bei anfangs lauen Westwinden und später auffrischenden nördlichen Winden ein sehr spannendes Rennen, an dem zehn Boote teilnahmen. Der Kurs war bei den herrschenden Winden sehr schwierig, so daß nur sechs Boote durchs Ziel. kamen und die restlichen Boote Aufgeben mußten. Die Reihenfolge am Ziel: "Nippon", "Nordwind"/"Münsterland", "Sindh", "Port Invercargill". Das Boot der "Nordwind" wurde in kameradschaftlicher Zusammenarbeit mit der "Münsterland" gesegelt. Bei einem sehr guten Essen während der Siegesfeier auf " Port Invercargill " wurde noch lange und heiß über das Rennen diskutiert .

* Segeln gehörte zu den beliebtesten Bittersee-Sportarten. Die "Münsterland"-Besatzung verfügte später über die "Mighty Sparrow", ein aufgetakeltes ehemaliges Kanalboot, und über die "Undine", die nach Plänen des Zimmermanns Jäckel von ihm selbst gebaut worden war. Anläßlich Stapellauf und Taufe des Bootes gab es auf "Münsterland" im August 1969 ein großes Fest mit Hammel am Spieß für 80 Personen. Die anderen Kapitäne und Segler waren begeistert von der "Undine" und ließen Nachbauten anfertigen. So entstand die "Great Bitter Lake Class". Für "Münsterland." kam schließlich noch eine "Uschi" hinzu. Die Blütezeit des Segelsports im Bittersee war etwa 1969. Zu diesem Zeitpunkt gab es dort 14 Boote, die in drei Klassen eingeteilt waren.

Am Sonntag, dem 30.5., hatten wir Gelegenheit, mit einem Bus nach Ismailia zu fahren, um mit einer GBLA-Mannschaft gegen die ägyptische Armee zu spielen. Das Spiel selbst fand jedoch leider nicht statt, weil die ägyptische Mannschaft nicht auf dem Platz erschien. So spielten die "Eingeschlossenen des Bittersees" in dem großen Stadion unter sich. Jedenfalls war es ein Ereignis, wieder einmal an Land zu sein, besonders für diejenigen, die schon seit neun Monaten im See sind und den Fuß nicht mehr auf festen Boden setzen konnten. Die Tatsache dieses Arrangements an sich ist schon sehr vielversprechend und jeder hofft, daß es nicht bei diesem einen Mal bleiben möge..."


Höhepunkt des sportlichen Lebens der "Eingeschlossenen" aber war die "Kleine Olympiade im Bittersee", die auf Vorschlag der Polen im Anschluß an die Olympischen Spiele in Tokio zwischen dem 28. September und 12. Oktober 1968 abgehalten wurde.

Die "Münsterland" bot zu diesem Ereignis neun Spieler auf, die "Nordwind" sogar elf. Die anderen Nationen waren wie folgt vertreten: England 60 Mann von vier Schiffen, Schweden 23 Mann von zwei Schiffen, Polen 43 Mann von zwei Schiffen sowie Frankreich 17 Mann, USA 6 Mann, CSSR 6 Mann und Bulgarien 16 Mann von je einem Schiff. Die Vorentscheidungen begannen am 28. September, während die Hauptkämpfe am 11. und 12. Oktober mit anschließender Siegerehrung auf der polnischen "Djakarta" stattfanden. Die Medaillen waren von den Polen in "Heimarbeit" hergestellt worden. Die Firma Agfa Gaevert stiftete für die Sieger einen "Cup of Nations", einen 56 cm hohen Pokal. Weitere Preise kamen dazu. Es war ein großes Fest, getragen von wahrem olympischen Geist. Über die Ergebnisse gibt detailliert wieder ein Brief aus dem Bittersee Auskunft.

MS "Münsterland"  
Großer Bittersee, den 13. Oktober 1968


An die
Hamburg-Amerika Linie
2 Hamburg 1


Sehr geehrte Herren,

um Sie sofort nach der Beendigung der Kleinen Olympischen Spiele im Bittersee über die Ergebnisse zu informieren, geben wir Ihnen hier kurz die Gesamtwertung.

Für Deutschland gingen die "Spiele" doch noch sehr erfolgreich aus, da wir, wie Sie aus dem Überblick ersehen können, in der Gesamtwertung einen sehr guten zweiten Platz - und damit den Lufthansa-Pokal - erringen konnten.

Gesamtwertung:

1. Polen

118,5 Punkte

2. Deutschland

110,5 Punkte

3. Großbritannien

101,5 Punkte

4. Schweden

82,0 Punkte

5. Commonwealth

29,0 Punkte

6. Frankreich

18,0 Punkte

7. International

12,0 Punkte

8. Bulgarien

8,5 Punkte

 

Verteilung der Medaillen:

Gold

Silber

Bronze

1. Polen

4

4

5

2. Deutschland

3

5

4

3. Großbritannien

2

4

5

4. Schweden

4

-

2

5. Commonwealth

1

1

-

6. Frankreich

1

-

-

7. International

-

-

-

8. Bulgarien

-

1

-

 

Wertung in den einzelnen Wettbewerben:

1.

Segeln, KI. A

1.Schweden

2. Deutschld.

3. Großbrit.

Segeln, KI. B

1. Frankreich

2. Commonw.

3. Deutschld.

2.

Wasserball

1. Schweden

2. Polen

3. Großbrit.

3.

Rudern

1. Polen

2. Bulgarien

3. Großbrit.

4.

Tischtennis

1. Schweden

2. Deutschld.

3. Polen

5.

Fußball

1. Großbrit.

2. Polen

3. Schweden

6.

Schwimmen

1. Polen

2. Polen

3. Schweden

7.

Fischen

1. Deutschld.

2. Großbrit.

3. Großbrit.

8.

Kunstspringen

1. Deutschld.

2. Großbrit.

3. Polen

9.

Dreikampf

1. Polen

2. Großbrit.

3. Deutschld. 2x

10.

Laufen

1. Polen

2. Deutschld.

3. Großbrit.

11.

Bogenschießen

1. Großbrit.

2. Deutschld.

3. Polen

12.

Schießen

1. Commonw.

2. Großbrit.

3. Polen

13.

Hochsprung

1. Schweden

2. Deutschld.

3. Deutschld.

14.

Gewichtheben

1. Deutschld.

2. Polen

3. Polen

 

Während wir in unserem letzten Schreiben schon einiges über die Wettbewerbe 1-4 berichteten, möchten wir noch ein paar Worte zu den nächsten Punkten sagen:

5.    Fußball - Wie schon kurz berichtet, hatten wir nach zwei unglücklichen Verletzungen der beiden besten Leute keine Chance mehr auf eine Medaille. So konnte Großbritannien mit einem Punkt Vorsprung die Olympia-Meisterschaft gewinnen. Der Jubel bei den Engländern, daß sie in ihrer speziellen Sportart Erfolg hatten, übertraf fast noch den Jubel während der letzten Fußball-Weltmeisterschaft.

6.    Langstrecken-Schwimmen - Gegen die athletischen Polen bestand für uns kaum Hoffnung auf den Sieg. Vom Start weg durchkraulten die beiden Polen, Zysk und Widawski, die gesamte Strecke und ließen ihre Verfolger ca. 20 m zurück. Den 5. Platz für Deutschland erreichte J. Gattermayr. Weitere Schwimmer für Deutschland waren: 10. PI. H. Richter, 13. Pl. R. Becker, 16. PI. P. Moosbrugger.

7.    Fischen (1 Stunde) – Das war ein äußerst spannender und witziger Wettbewerb. Unter dem Jubel aller Seeleute fiel die Goldmedaille an den Matrosen Franz Klofik. Es war die erste Goldene für Deutschland. Er holte den ersten Fisch bei 16 Teilnehmern heraus - der allerdings wieder verloren ging. Dann war es lange Zeit ziemlich ausgeglichen, und nur kleine Fische bissen an; bis Franz K. plötzlich als einziger kurz hintereinander zwei große Brocken fing, die ihm den Sieg einbrachten. Dieser Sieg wurde mit 2,6 kg Fisch vor dem 2. mit 1,55 kg erreicht. Der letzte der "Sportangler" hatte nur einen Fisch mit 50 g gefangen. H. Riedel erangelte für Deutschland noch den 6. Platz und damit einen weiteren wertvollen Punkt.

8.    Kunstspringen (6-Meter-Sprungbrett) - Der Koch der "Nordwind", H. Hammer, sprang sehr souverän die Goldmedaille heraus, die mit der Goldenen im Fisch zusammenfiel und somit bei uns riesige Freude auslöste. Endlich war die "Pechsträhne" überwunden. P. Moosbrugger erreichte noch einen 6. Platz.

9.    Dreikampf (Schießen, Laufen, Schwimmen) - Obwohl auch hier wieder das Glück nicht ganz auf unserer Seite war, konnten R. Becker und H. Richter punktgleich je eine Bronzemedaille gegen sehr starke Konkurrenz erkämpfen.

10.  Laufen (25 m) – Hierbei erlief sich wiederum unsere große Hoffnung, R. Becker mit 3,6 Sek. den 2. Platz. Der Pole war höchstens die berühmte Nasenlänge voraus. Auch H. Richter konnte sich noch auf den 7. Platz schieben.

11.  Bogenschießen - Hier siegte der Sohn eines Leiters einer "Archery School" in England souverän, und wir mussten uns mit der von G. Strebel erreichten Silbermedaille sehr glücklich schätzen. Der 2. Mann, R, Becker, kam auf den 8. Platz.

12.  Luftgewehr-Schießen - Obwohl wir die besten Schützen nach langen Ausscheidungskampf ermittelt hatten, konnten wir nur den 6. Platz erreichen. Das Schießen ist eben reine Nervensache!

13.  Hochsprung - Der schwedische Sportler war mit 1,65 m nicht zu schlagen. So waren wir froh, daß wir wenigstens alle anderen Teilnehmer überbieten konnten. R. Becker ersprang die Silber- und H. Richter die Bronzemedaille.

14.  Gewichtheben - Ohne große Anstrengung schlug der Matrose W. Michaelis mit 100,2 kg alle anderen "starken Männer" und holte für Deutschland die dritte Goldmedaille. Mit 76,6 kg errang H. Hammer noch einen guten 5. Platz.

 

Die "Olympia" - Teilnehmer für Deutschland:

MS "Nordwind"

MS "Münsterland"

Matr.

W. Michaelis

(4)

Ing. Asp.

R. Becker

(9)

Koch

H. Hammer

(3)

Elektr.

H. Richter

(6)

Ing. Asp.

J. Gattermayr

(2)

I. Off.

D. Moldenhauer

(5)

Ing. Asp.

G. Strobel

(2)

F. Off.

P. Moosbrugger

(4)

I. Off.

P. Ponath

(1)

Ing. Asp.

E. Breitenoeder

(1)

Ltd. Ing.

K. Andersen

(1)

Ing. Asp.

H. Vorbeck

(1)

Elektr.

H. Wagner

(1)

Z'mann

K. Gross

(1)

2. Ing.

H. Riedel

(1)

Koch

M. Daedelow

(1)

Ing. Asp.

G. Kock

(1)

Matr.

F. Klofik

(1)

Bäcker

H. Reifenberger

(1)

Matr.

U. Carstens

(1)

Die Zahlen in Klammern bedeuten die Anzahl der Wettbewerbe, an denen die einzelnen teilnahmen.

 

Die Olympiade war dank der ausgezeichneten Organisation der Veranstalter, MS "Djakarta", ein voller Erfolg. Alle Seeleute im Bittersee waren, ob als Teilnehmer oder als Zuschauer, mit Leib und Seele dabei, und schufen eine wirkliche olympische Atmosphäre, die alle Wettbewerbe zu spannenden Kämpfen werden ließen. Die gestifteten Preise trugen viel dazu bei, den Ehr­geiz jedes einzelnen zu wecken. Die Preisverteilung und die Ehrung der Sieger auf olympischem Podest unter "Flutlicht" war sehr eindrucksvoll.

Wir hoffen, Ihnen mit diesem Bericht einen guten Einblick in die Ergebnisse der "Spiele" gegeben zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

                                                              gez. Prissel                             gez. Moldenhauer

                                                               (Kapitän)                                 (I. Offizier)

 

Zwei Jahre später, als die fußballbegeisterte Welt gebannt nach Mexiko schaute, um die Fußballweltmeisterschaft mitzu­erleben, da trat man auch im Bittersee wieder an. Dort kämpften die Mannschaften um den "Little World Cup", den eine große englische Tageszeitung gestiftet hatte. Der Pokal selbst war wohl kleiner als der bei der "richtigen" Welt­meisterschaft, die Leidenschaft aber, mit der um ihn gekämpft wurde, war jedoch mindestens ebenso groß.

 

Es wird stiller im See

So friedlich und voll Sonnenschein, wie manch einer bei Verfolgung der Sportlichkeiten und sonstigen Festivitäten meinen könnte, war die Szenerie im Bittersee allerdings nicht, jedenfalls nicht ständig. Daß ein erhebliches Maß an Arbeit für die Besatzungsmitglieder anfiel, ist schon erwähnt worden. Viel Arbeit und nicht wenig Sorgen bereiteten auch die häufig rasch und unvermutet auftretenden Sandstürme, die zum Teil so starken Seegang verursachten, daß die Wellen bis über Deck schlugen. Es kam auch vor, daß sich Schirre von ihren Ankern losrissen und ins Treiben gerieten. Dann wurde jede Hand ge­braucht, da auch die anderen Schirre in Gefahr gerieten.

Noch unangenehmer aber wurde es, wenn wieder einmal eine der gegnerischen Parteien auf der einen oder der anderen Uferseite aktiv wurden. Die Besatzungen erlebten Artillerieduelle und Luftkämpfe aus erster Hand. Eine Aktualität, auf die sicher alle gern verzichtet hätten. Vorsichtshalber begab man sich bei diesen Vorfällen stets unter Deck. Dennoch blieb das Geschehen gefährlich genug. Einmal warf ein Flugzeug im Notwurf Bomben in den See, ein anderes Mal verlor ein Düsenjäger seinen Zusatztank. Er fiel 100 m neben der "Nippon" ins Wasser und war, wie sich später herausstellte, noch halb mit Kerosin gefüllt. Glücklicherweise kam aber trotz allem während der ganzen Zeit niemand von den Besatzungsmitgliedern zu schaden.

Im Laufe der Jahre wurde es stiller im Bittersee. Die Besatzungsstärken wurden reduziert, andere Besatzungen ganz abgezogen.

Es war ja nicht abzusehen, wann der Suez-Kanal wieder eröffnet würde und ob überhaupt jemals wieder. Auch für die "Münsterland" mußte überlegt werden, wie sich Kosten einsparen ließen. In Kooperation mit anderen Reedereien wurde ein Weg gefunden. Mitte Oktober 1969 legte man vier Schiffe zu einer Gruppe zusammen und vertraute sie einer Besatzung von zehn Mann an, die für alle verantwortlich war. Bei den Schiffen handelte es sich um die "Münsterland", "Nordwind", "Nippon" und "Killara". Für diese neue Schiffseinheit wurde als neuer Name "Müwiniki" gefunden, in dem zwei Buchstaben von jedem Schiffsnamen enthalten waren. Als Wohnschiff diente die "Killara", später die "Nordwind".

Am 30. Juni 1970 wurde die Gruppe noch um die französische "Sindh" vergrößert und der Name in "Müwinikindh" erweitert. Als die "Sindh" Okt./Nov. 1970 nach Norwegen verkauft und in "Essayon" umgetauft wurde, änderte sich der Name in "Müwinikies". Das blieb die endgültige Fassung. Anläßlich der Zusammenlegung wurden Sonderbriefmarken in "Eigenproduktion" herausgegeben.

Mitte 1970 waren nur noch 50 Mann im See. Das machte natürlich viele Dinge schwieriger, auch den Sport. Aufgegeben wurde er jedoch keinesfalls, nur der Rahmen änderte sich. Außer Sport pflegten die "noch gebliebenen" so gut es ging auch andere, nunmehr schon alte Bittersee-Traditionen weiter.

So zum Beispiel die Weihnachts-Zeremonie: Heilig Abend am Nachmittag trafen sich die Boote aller Schiffe an der "Great Bitter Lake Association Buoy" - kurz "GBLA-Boje" genannt - in der Mitte des Sees. Sternförmig machten die Boote an der Boje fest und dann wurde der Tannenbaum, der Ober dem blauen Anker mi t der Zahl 14 an der Spitze der Boje festgemacht war, angezündet. Die von einer Batterie bespeisten Lichter strahlten dann während der Weihnachtsfeiertage für alle Schiffe sichtbar über den See.

Eine weitere schöne Tradition war die sonntägliche "Kirche" auf der "Müwinikies"-Gruppe. Die Glocken der fünf Schiffe läuteten jedes Mal diese Festlichkeiten ein. Von allen im See liegenden Schiffen kamen die Besatzungsmitglieder, sonntäglich angezogen und in guter Stimmung. Bei dieser Gelegenheit wurden Briefe mit Sonderstempeln versehen Veranstaltungen bekannt gegeben, neue Meetings vorbereitet und vor allem viel "Klönschnack" abgehalten. Diese "Kirchgänge" trugen sehr viel zu dem guten Zusammenleben der Eingeschlossenen bei.

Im Juli 1972 erfolgte eine weitere Rationalisierungsmaßnahme die Ablösung der deutschen Crew von der "Müwinikies"-Gruppe. Die Bewachung und notwendigsten Instandsetzungsarbeiten übernahmen vier Männer einer norwegischen Schiffsbewachungsfirma.

 

Wieder Reisevorbereitungen

1974 entwickelte sich die politische Lage so, dass mit einiger Sicherheit eine Wiedereröffnung des Suez-Kanals zu erwarten war. Anfang Mai d.J. wurden daher unter der Leitung des Reederei-Inspektors Hans Benkeser drei Mitarbeiter in den Bittersee entsand, die den Zustand der "Münsterland" feststellen sollten. Immerhin lag das Schiff seit nunmehr fast sieben Jahren im See. In Kairo kam noch ein Vertreter des Germanischen Lloyd zu der Gruppe. Der Bericht, den sie nach ihrer Rückkehr abgaben, übertraf alle Erwartungen. Die "Münsterland" hatte sich sehr gut gehalten. Im Hause HAPAG-Lloyd begann man die entsprechenden Maßnahmen für die Wiederinbetriebnahme des Schiffes zu treffen.

Ab September 1974 wurden nach und nach die Besatzungsmitglieder zum Bittersee in Marsch gesetzt. Ein Vorauskommando von drei Mann ging als erstes an Bord, um die notwendigen Maßnahmen für die Aufnahme der anderen Besatzungsmitglieder zu treffen. Am 16. September folgte ein Schub von weiteren zehn Mann.

Für die umfangreichen Arbeiten. vor allem bei der Wiederherstellung des Wohnbereichs wurden einige ägyptische Hilfskräfte eingestellt.

Die "Münsterland" befand sich in einem verhältnismäßig guten Zustand. Der Schiffskörper wies zwar einen starken Muschel­bewuchs, aber kaum Korrosionsschäden auf. Die Maschinenanlage machte einen guten Eindruck, das Ladegeschirr funktionierte. Die beweglichen Teile, die man abgenommen und gesondert konserviert hatte, waren in bester Verfassung und konnten ohne weiteres wieder angebracht werden. Das Radargerät und die anderen nautisch-technischen Instrumente auf der Brücke waren ebenfalls in Ordnung. Das Klima im Bittersee hatte die Erhaltung des Schiffes begünstigt. Da die Luftfeuchtigkeit während des ganzen Jahres gering ist, hatte sich die Rostbildung in Grenzen gehalten. Um den "Vorläufigen Fahrt­erlaubnisschein" vom Germanischen Lloyd zu erhalten, mußten jedoch trotz allem noch eine Reihe von Arbeiten, vor allem im Sicherheitbereich erledigt werden.

Nicht nur das Schiff selbst, sondern auch die Ladung befand sich in einem Zustand, der in Anbetracht der achtjährigen Liegezeit nur überraschen konnte. Selbstverständlich waren die Konserven unbrauchbar und die Ladungsteile, die im Bereich der zum großen Teil aufgeplatzten Konservendosen lagerten, waren ebenfalls verdorben, aber die Wolle, für die eine mehrjährige Lagerung nichts ungewöhnliches ist, ist weitgehend erhalten geblieben, ebenso die Felle und selbstverständlich der Mineralsand, das Blei usw. Der Draht war blank und sah so aus, als wäre er gerade aus der Fabrik gekommen. Auch das war der geringen Luft­feuchtigkeit zu verdanken.

Die Instandsetzungsarbeiten zogen sich über mehrere Monate hin. Sie liefen in etwa parallel mit den Bemühungen, den Suez-Kanal von Minen und sonstigen Schifffahrtshindernissen zu räumen und wieder passierbar zu machen. Mit Sorge wurde die politische Entwicklung beobachtet, aber es ging alles gut, jedenfalls was die Erhaltung des Friedens angeht. Weniger gut sah es mit dem Auslaufen der Schiffe aus der "Bittersee-Falle" aus. Über die Gründe, warum Ägypten die Schiffe nicht den Kanal passieren ließ, lassen sich nur Vermutungen anstellen.

In Anbetracht dieser Situation entschloß sich Hapag-Lloyd, Mitte Februar den größten Teil der bereits im Bittersee befindlichen Besatzungsmitglieder wieder abzuziehen.

Ende März kam aus Ägypten die offizielle Verlautbarung, daß der Suez-Kanal ab 5. Juni 1975, dem 8. Jahrestag der Kanalschließung wieder für den internationalen Verkehr eröffnet werden sollte. Nach anfänglicher Skepsis traf man dann auch bei Hapag-Lloyd die notwendigen Vorbereitungen. Es ging alles sehr schnell, da praktisch sowieso alles in Wartestellung war. Am 2. Mai flogen die noch fehlenden Besatzungsmitglieder erneut nach Ägypten. Die "Münsterland" soll endgültig ihre 1967 unterbrochene Heimreise beenden.